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living document "Vision"
Hier entwickeln wir seit 2020 (s.u.) eine Vision für Ingolstadt.
Unsere Vereinsvorsitzende Claudia Borgmann machte den Anfang und entwickelte die eigenen Impulse gemeinsam mit anderen Interessierten weiter. Am Anfang stand ein Brainstorming in lockerer Runde, daraus entwickelte sich eine Initiative, die der Grundstein unseres 2023 gegründeten Vereins ist: wir machen WIR - eine Vision für Ingolstadt e.V.
29.01.2025
Miteinander Stadt neu BILDEN!
Bildung als Ratgeber und Zukunftsgarant - alle profitieren von Bildung
von Claudia Borgmann
Unsere Vision entwickelt sich! Bildung bleibt unser Thema, unsere Vision für Ingolstadt.
Bildung muss attraktiv sein, damit sie jeden erreicht. Ingolstadt soll Zentrum zeitgemäßer Bildung werden und so ein Zukunftsgarant sein.
Für Ingostadt möchten wir uns nicht länger auf die technologische Bildung konzentrieren, sondern den Begriff erweitern. Wir brauchen Bildung für alle Lebensbereiche. Es beginnt bei Tipps zum Leben im Einklang mit sich selbst, geht über ein gutes Miteinander bis hin zur Bildung im klassischen über Wissensvermittlung im wirtschaftlichen Sinne. Bildung ist unerschöpflicher Ratgeber. Für jeden. Bildung ist Garant unserer Zukunft. Wir brauchen Bildung. Deshalb müssen wir sie attraktiv gestalten.
Wir möchten mit unserem Verein "wir machen WIR - eine Vision für Ingolstadt e.V." einen Beitrag leisten, damit jeder im einzelnen und alle im Ganzen von Bildung profitieren können. Ingolstadt verfügt über alle notwendigen Kompetenzen, um Bildung wieder attraktiv zu machen, um Wissen zeitgemäß zu vermitteln: Inhalt, Kreativität, Fortschritt, Technik. Die unterschiedlichen Branchen gibt es. Wir müssen sie nur verknüpfen. Dann entsteht Neues. Dann leuchtet Ingolstadt.
26.07.2021
Eine Vision gestaltet die Stadt und alle machen mit!
Innovationszentrum Ingolstadt mit Schwerpunkt technologische Bildung
als gemeinsames Produkt von KuK, Wissenschaft und Entwicklung
von Claudia Borgmann
Die Vision reift
„Wir machen WIR – eine Vision für Ingolstadt“ blickt auf ein Jahr seit seiner Entstehung zurück. Wir haben intern heftig diskutiert, extern viele Gespräche geführt, manche Projekte konzeptionell und im Sinne der „Phase 1 für Ingolstadt“, nämlich der interdisziplinären Vernetzung, unterstützt. Parallel grübelten einige Ingolstädter_innen in verschiedensten Arbeitskreisen über Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt. Drei Arbeitskreise wurden von unseren Mitgliedern geleitet (Axl Häusler: AK Donaueinbindung; Matthias Schickel: AK Vision; Claudia Borgmann: AK Identität), andere nahmen daran teil. Stellen wurden von der Stadt neu geschaffen. Wenn auch keine wissenschaftliche IST-Studie vorliegt, so können wir nun doch aus den intensiven Erfahrungen der letzten Monate einige wertvolle Schlüsse ziehen, Gedanken aufgreifen und neu verknüpfen. Dies soll hier geschehen.
Vorab sei noch einmal unsere Strategie zur Belebung unserer Stadt skizziert: sie planen wir in drei Schritten, die immer der Nachhaltigkeit verpflichtet sind:
Phase 1_
Wir machen WIR:
beschreibt die Zeit der interdisziplinären Vernetzung durch ein Miteinander der Akteure mit dem Ziel der Identitätsfindung. Diese Phase unterstützen wir durch Hilfestellung in der Konzeption sowie Unterstützung bei der Suche nach unterschiedlichsten Kooperationspartner von identitätsstiftenden Projekten durch Stadtgestalter. Stadtgestalter sind diejenigen, die mit ihren Ideen unsere Stadt gestalten.
Phase 2_eine Vision für Ingolstadt:
Aus dem Miteinander des „wir machen WIR“ haben sich die identitären Merkmale unserer Stadt herauskristallisiert. Aus der von Werten, Wünschen, Bedürfnissen und Gegebenem abgeleiteten Identität lässt sich eine Vision ableiten.
Phase 3_Entwicklung von Maßnahmen und ihre Umsetzung:
Von der Vision abgeleitet werden konkrete Maßnahmen, die dann umgesetzt werden. Ingolstadt profitiert von dem der Vision entlehnten, schlüssigen Konzept vernetzter Projekte durch eine lebendige Innenstadt mit hoher Erlebnisdichte, die auch Touristen lockt.
Das Innovationszentrum als Ausgangspunkt
Der Arbeitskreis Vision von Dr. Matthias Schickel, auch Mitglied der Initiative, hat die Vision des Innovationszentrums Ingolstadt entworfen. Diesen Gedanken möchten wir aufgreifen, weil er in seiner Verknüpfung mit Ingolstadt überzeugt und auf den bisher verfolgten Zielen der Stadt und den damit verbundenen Einrichtungen und Förderungen aufbaut. Voraussetzung jeder Innovation ist Bildung. Bildung ist aus unserer Sicht der Dreh- und Angelpunkt einer innovativen Stadt. Gemäß unserer Überzeugung kann Bildung besonders im Austausch miteinander als Motor der Innovation fungieren (s. Vortrag „Urbanität für Ingolstadt - aber wie? Vom Wir zur Vision.“ Über www.wirmachenwir.de oder auf youtube). Das Miteinander spielt hier also eine wesentliche Rolle. Die Phasen 1 und 2 der oben aufgeführten Strategie verschmelzen nun. Das „Wir“, interdisziplinäres Miteinander, kann jetzt zielgerichtet wirken, nämlich mit dem Blick auf die Vision.
Schwerpunkt „technologische Bildung“
Nun ist die Vision eines „Innovationszentrums“ nicht nur offen, sondern eben auch vage. Nehmen wir das Thema Bildung, an das Innovation unweigerlich gebunden ist, ernst und paaren es mit den Gegebenheiten der Stadt, dann bewegen wir uns in Richtung „technologische Bildung“. Diesen Gedanken habe ich vor einem Jahr bereits im Zusammenhang mit Erläuterungen zur Notwendigkeit einer Vision niedergeschrieben (s.u.). Er ist leicht erklärt. In einer Welt, in der sich die Technik rasend schnell entwickelt, bedarf es bürgernaher Erläuterungen, um eine gesellschaftliche Akzeptanz für bisher unbekannte Entwicklungen zu erlangen. Die Vermittlung hat dann nicht nur Bildungscharakter, sondern ist auch wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfungskette: denn der Verbraucher nutzt und kauft nur, wenn er vertraut. Das Vertrauen muss aufgebaut werden durch Vermittlungskonzepte, erstellt von Kommunikationsdesignern, Textern und anderen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. neue Sicht), die gespeist werden mit Inhalten aus der Forschung und Wissenschaft, in Ingolstadt vertreten durch THI, KU sowie die Audi AG und viele weitere Entwickler. Die in Ingolstadt omnipräsente „Digitalisierung“ kann den Vermittlungsvorgang maßgeblich unterstützen und bringt einem weiteren Beschäftigungszweig Arbeit. Das brigk, digitales Gründerzentrum, kann dabei als wichtige Schnittstelle und Quelle junger, mutiger Menschen mit entsprechender Leidenschaft agieren. Allerdings muss sich Ingolstadt dann auch als attraktive Stadt für qualifizierte Leistungsträger zeigen. Unangefochten spielt dabei das kulturelle Angebot eine große Rolle. Dramen um den Bau der Kammerspiele sind da zweifelsohne kontraproduktiv.
Verknüpfung der Vision mit Ingolstadts Kultur
Neben den genannten Bereichen ist das Thema der technologischen Bildung auch andernorts in Ingolstadt präsent. Weder die konkrete Kunst mit ihrem bald auch städtebaulich wegweisenden Museum in der alten Gießereihalle, noch die Kunst Alf Lechners sind ohne technischen Fortschritt denkbar. Sie, das Lechner Museum sowie das MKKD, sind schon längst auf ihre eigene Art Repräsentanten der Vermittlung "technologischer Bildung" auf kultureller Ebene. Das Armeemuseum sowie das medizinhistorische Museum in Ihrer Anlage sowieso.
Grenzen der Wissenschaft
Auch die Theater lassen sich leicht in das Thema einbinden, sind vielmehr schon längst Bestandteil dessen. Denn sie sind immer auch Wegbereiter gesellschaftlicher Veränderungen und haben die wichtige und unbequeme Funktion der Auseinandersetzung mit uns selbst. Hieran ließe sich auch die Idee eines Hauses der Geistesgeschichte von Jean-Pol Martin anknüpfen. Jede Epoche stellt Fragen, die Antworten sind immer zu jeder Zeit einer Diskussion wert und erklären, warum wir heute sind, wer wir sind. Eine Debatte um neue und alte Werte ist unerlässlich, ein Blick in die Vergangenheit höchst aufschlussreich. Sie kann einen großen Beitrag leisten, das Rätsel unserer Identität zu beleuchten. Dies in historischer Kulisse. An Orten des Geschehens. Was für ein Reichtum.
Eine Auseinandersetzung weniger soziologischer, vielmehr ethischer Natur, führt uns zur Frage nach dem, was Wissenschaft darf. Möglich ist viel, aber was ist vertretbar? Auch diese Frage muss im Zusammenhang mit der technologischen Bildung gestellt werden. Und sie führt uns (wieder) in die Literatur und direkt zu Mary Shelleys „Frankenstein“. Seine Geschichte spielt in der damals bedeutenden Hochschulstadt Ingolstadt und beschäftigt sich mit genau der Frage der (selbstgesetzten) Grenzen der Wissenschaft. Mit Frankensteins Monster hat Ingolstadt eine überaus prominente Gestalt, die sich nicht zu einer beliebigen, sondern tatsächlich verorteten Gallionsfigur des Marketings aufbereiten ließe. Die Vision der technologischen Bildung lässt sich in Ingolstadt verorten. Das Vorhandene wird dank der Vision zu einem großen Ganzen vernetzt.
Die Vision lebt auch in der Subkultur
In diesem Zusammenhang von größter Bedeutung sind identitätsstiftende Projekte wie „das Labor“ von Markus Jordan, die gleichzeitig die sogenannte Erlebnisdichte steigern. Jordan will mithilfe seiner Kunst in historischen Gebäuden ein kreatives Wissenschafts-Labor entstehen lassen, nutzbar von einem breiten Teil der Ingolstädter Gesellschaft und wirksam als Magnet für den Tourismus zuerst im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2022, später als feste Einrichtung insbesondere für Bildungseinrichtungen. Sein Projekt wurde im Rahmen der Innenstadtrunde vom Arbeitskreis Identität mithilfe einer eigens erstellten Matrix, die langfristig einem Identitätsrat dienen soll, untersucht. Ziel der Teilnehmer war es, ein Instrument zu finden, dass viele solcher identitätsstiftenden Projekte zuerst erkennt, um ihnen dann den Weg in die Realisierung zu bahnen.
Technologische Bildung als neuer Sinnstifter der Innenstadt
Jordans Projekt ist beispielhaft und macht klar: der geeignete Raum einer solchen Wissens-Vermittlung ist die Innenstadt. Den Anfang hat das Showroom des kooperativen Forschungsprojekts save: „fahrerlos, Showroom für autonome Mobilität“ gemacht, nun gefolgt von der „Wissenschaftsgalerie“, einem Projekt von „Mensch in Bewegung“ (KU sowie THI) – beides in der Ludwigstrasse. Damit ist der erste tatsächliche Ort für Wissenstransfer geschaffen. Auch wenn der Name elitäre Absichten vermuten lässt, ist doch ein niederschwelliges Angebot für alle Bürger gewollt. Wenn wir hier weiterdenken, in weiteren Showrooms nicht nur der Uni, auch der verschiedenen Unternehmen (Bsp. „fahrerlos“), in Instituten für Wissenstransfer, kooperativen Räumen zur Zusammenarbeit von KuK und Forschung und Entwicklung, Zentren der Kommunikationsforschung (KU, Lehrstuhl Kommunikationswissenschaften), dann, ja dann könnte hier ein großes, neues und ausgesprochen zukunftsträchtiges Spielfeld für unsere Innenstadt entstehen. Die Innenstadtrunde hat bereits Ideen für Wirkungsstätten der Kreativen hervorgebracht. Sie könnten hier eine wichtige Funktion übernehmen und zur Brutstätte innovativer bürgernaher Vermittlungsarbeit für technologische Bildung werden.
Sehen wir nach Eichstätt: dort hat vor ca. 60 Jahren die Idee, eine katholische Universität aufzubauen, Gebäude nicht nur vor dem Verfall gerettet, sondern einer Stadt auch eine neue Bestimmung gegeben. Das können wir auch in Ingolstadt haben. (Wir haben als Ergebnis der Innenstadtrunde eine neue Leerstandmanagerin: hier läge ein wunderbares, zukunftsträchtiges Betätigungsfeld!)
Nur: wenn wir Stadt denken, müssen wir auch unsere Mobilität überdenken. Was wollen wir? Ist das Auto noch die zeitgemäße Lösung, um in die Stadt zu kommen? Wollen wir nun gebührenfreie Parkhäuser oder doch Boulevards mit breiten Radwegen? Der Stadtplaner Axl Häusler, Mitglied der Initiative, hat alternative Verkehrskonzepte erarbeitet. Von ihnen würde auch Ingolstadt an der Donau profitieren. Wertvoll auch die verschiedenen Gedanken regionaler Architekten, gerade veröffentlicht im Stadtmagazin „trotzdemjetzt“ (01/21) zum Thema Urbanität.
Mündige Bürger durch Bildung
Welche Konsequenzen hätte nun eine Richtungsgebung durch eine Vision für uns? Wir müssten gemeinsam in eine Richtung denken und handeln. Wir müssten das Thema Bildung ernst nehmen und für alle Denken. Denn die technologische Bildung als Ergebnis der Vermittlungsarbeit ist nur die Spitze des Leuchtturms. Sie ist quasi das Licht im Turm. Das Fundament liegt in der Anlage des kreativen Lernens bei unseren Kindern und unserer Jugend. Mit den in verschiedenen Schulen lebendigen Gedanken von Maria Montessori und vielen innovativen Lehrkräften und neuwertigen Lehrkonzepten auch an anderen Schulen ist die Basis geschaffen. Nutznießer ist im ersten Moment die junge Generation, langfristig aber bedeutet Bildung: mündige Bürger. Der mündige Bürger als Garant einer stabilen Demokratie, einer offenen und gesunden Gesellschaft sowie umweltbewussten Lebens. Dazu gehört auch der Sport. Er dient dem seelischen Gleichgewicht – gerade in einer Welt, in der Bewegung zu kurz kommt und sich Stress auch durch inflationären Informationsfluss immer mehr aufbaut. Dass wir hier divers, also für alle, denken müssen, ist klar. Wir müssen alle abholen. Erst recht in einer Stadt, die bald 50% Menschen mit Migrationshintergrund eine Heimat ist. Maßnahmen dazu hat der AK Diversität von Dr. Susanne Greiter erarbeitet.
Bedürfnisse sind da. Auch Wünsche. Ideen sowieso. Wir müssen sie nur im Sinne unserer Vision verknüpfen.
Willkommen in Phase 3!
14.02.2021
Gemeinsam Stadt
Von Stadtgestalten und Stadtgestaltern
von Claudia Borgmann
Mit Abstand am schönsten! So lautet der Titel der für den Außenraum konzipierten Ausstellung des MKK Ingolstadt. Gezeigt werden die preisgekrönten Aerial Views des Fotografen Bernhard Lang. Mit Abstand am schönsten! Was für ein Ausruf! Was bitte ist mit Abstand am schönsten? Gerade jetzt, da wir uns nach Nähe sehnen? Aber tatsächlich: die Motive Langs liefern den Beweis: es gibt Dinge, die mit Abstand besonders schön sind oder gar nur so. Nehmen wir das Beispiel der gestapelten Getränkekästen. Von oben betrachtet, entfalten sie eine ungeahnte Ästhetik und schaffen es gar, sich in den Sphären der konkreten Kunst einzuschmuggeln. Es ist eben immer alles eine Frage der Perspektive. Das beweist uns die Kunst immer wieder. Und das beweist uns das Team des Museums für Konkrete Kunst um Doktor Simone Schimpf immer wieder. Kunst hat viele Seiten. Kunst berührt uns alle - wenn wir genau hinschauen und es wollen. Ach, da ist er wieder, dieser stets angemahnte Wille, ohne den wohl nichts geht und schon gar keine Veränderung!
Also gut. Dann wechseln wir die Perspektive. Nehmen wir Bernhard Lang als Vorbild. Schauen wir mit seinen Augen auf unsere Stadt – von oben! Dieses Wochenende würden wir eine besondere Beobachtung machen: Menschenscharen bewegen sich Richtung Theaterplatz. Nein, wirklich? Ist das nicht der Ort, der im Allgemeinen und nicht ohne Grund für unwirtlich gehalten wird? Ja doch! Was wollen also diese Menschen dort? Kunst sehen. Die Kunst Markus Jordans. Genauer gesagt eine Installation, in der er 14 Figuren oder Teile zeigt - in ihren Bewegungen festgefroren und erstarrt. Symbolträchtiger geht es nicht. Er trifft den Nerv. Hier findet sich wirklich jeder wieder. In der Situation an sich, in der Hoffnung darauf, dass das Eis bricht und die Sonne uns aus dieser Situation befreit. Den Sportler, den Künstler, den Macher, den Denker. Kinder wie Erwachsene. Sie, die Echten, die Realen, stehen dort und reden. Über Corona, ihre Gefühle, und erinnern sich, wie schön es ist, die eingefrorenen Tätigkeiten zu tun! Menschen reden vor dem Theater. Miteinander. Kunst bringt zusammen, Kunst inspiriert. Dieses Wochenende besonders. Dieses Wochenende im öffentlichen Raum. Kunst gestaltet Stadt. Jordans Stadtgestalten sind also Stadtgestalter! Nicht, weil sie hier stehen. Auch das. Aber vor Allem, weil sie Bürger locken und anregen zur Kommunikation. Ist es nicht das, was wir uns wünschen? Stadt als ein Ort der Begegnung und des Austausches?
Eben diese Lust in die Stadt zu kommen, weckt auch die spontane Outdoor-Ausstellung des MKK. 50 Fotografien Langs laden zum Stadtspaziergang ein, legen ein Band um unsere Stadt. Vor unserer Haustür dürfen wir die Welt entdecken. Wenn wir wollen, können wir sie hier einfach in ihrer Schönheit sehen und uns berauschen. (Wenn wir die Perspektive ändern, geraten wir manches Mal auch in die Fänge ihrer Tücken. Spätestens beim Motiv des Kreuzfahrtschiffes wird das wohl jedem klar.)
Was für ein Privatvergnügen! Aber reicht uns das? Wenn wir ernsthaft auf der Suche nach unserer Stadtidentität sind? Was, wenn sich unsere Stadtväter hier zeigten mit vor Stolz geschwollener Brust? Was, wenn in der Tourismusinformation für derartige Aktionen geworben würde? Wenn dort im Schaufenster ein Plan mit sämtlichen Stationen von Langs Bildern hinge, wenn hier ein Hinweis oder gar Hintergrundinformationen zu Jordans Werk stehen würden - dem Werk eines Ingolstädter Künstlers, dessen Aktion nur wenige Schritte weiter zu sehen ist? Dem Werk eines Menschen, der sich bewusst für seine Heimat als Wirkungsstätte entschieden hat? Wenn wir dieses Gut zuerst als unser eigenes Pfund verstünden und dann damit wuchern würden? Wenn alle stolz wären auf das, was hier gerade passiert, und es auch zeigen würden? Dann, ja dann wären wir auf einem guten Weg in Richtung Identität. Und auch in Richtung Urbanität. Selten ist der Zusammenhang so deutlich, denn selbst der nahegelegene Bäcker durfte sich an diesem Wochenende über mehr Kunden freuen. Der Zeitpunkt zum Miteinander könnte nicht besser sein: so geht Stadt! Wenn wir sie von uns aus denken. Von mir aus können wir gleich loslegen. Lassen Sie uns ein Netzwerk spinnen! Das geht auch mit Abstand.
P.S.: Unbedingt in diese Reihe der Stadtgestalten gehören auch die kommenden "Artomaten"! In Eichstätt schon zu sehen (Galerie Bildfläche am Bahnhofsplatz in Eichstätt) sollen zwei weitere bald in Ingolstadt folgen: einer beim Museum für Konkrete Kunst und einer an der Harderbastei. Stadtgestalter sind hier die Ingolstädter Künstlerin Beate Diao, der Eichstätter Fotograf und Vorsitzende des Kunstvereins Ingolstadt, Hubert Klotzeck, der Designer Markus Homeier sowie der Automatenaufsteller Frank Stachel.
24.06.2020 - Kommentar
"Technische Bildung"
Vision der neuen Gewissheit
von Werner Kapfer: Er ist Kunstpreisträger 2019 der Stadt Ingolstadt und setzt sich als Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler Obb. Nord und Ingolstadt e. V. für die Förderung von Kunst und ihre identitätsstiftende Wirkung im Stadtbild ein.
(Stand: Zeitpunkt der Veröffentlichung)
Ingolstadt zeichnete sich besonders in den letzten Jahren als aufstrebende, dynamische Stadt mit großem Entwicklungspotenzial aus. Die sich beschleunigende Entwicklung in der Autoindustrie, hin zu alternativen Antrieben veränderte jedoch auch den Blick auf die Perspektive der Stadt. Die Vision einer urbanen, kreativen, kulturell aufstrebenden und von Vielfalt geprägten Stadtentwicklung, wie sie auch von der Kultur- und Kreativwirtschaft formuliert wird, gewann an Zuspruch. Auch die Notwendigkeit einer breiteren, vom Automobil unabhängigen wirtschaftlichen Ausrichtung ist wohl Konsens.
Was uns durch Corona dann aber vor Augen geführt wurde ist, dass Verlässlichkeit, Planbarkeit und Sicherheit verletzliche Größen sind. In unser Denken sickert, dass die neue Gewissheit der Wandel sein wird. Es ändert sich der Blick auf die Entwicklung unseres Landes, die Gestalt der Stadt, die urbanen Räume, ihre bisher tragende Rolle für Begegnung, Aufenthalt, Kommunikation und Entspannung. Ist diese erhöhte Wertschätzung die Folge des Totalverlusts während des Lockdown?
Nein, es ist die Hoffnung, Wissenschaft, Politik und Bürgerwille werden weiter einen Weg finden, Begegnungen, Feste, Theater-, Kultur- und Kunstgenuss wieder neu zu beleben. Weil es gelingen muss die angeschlagene Wirtschaft zu erneuern. Weil die vielen Fragen nur zusammen lösbar sein werden. Weil jetzt „die Könige“ über ihre Grenzen blicken müssen. Und weil die neue Gewissheit auch in der Autostadt Ingolstadt tiefe Spuren hinterlassen wird. Keine Sisyphusarbeit, aber eine Arbeit mit vielen Steinen, für noch mehr Optimisten.
Was schon vor der Pandemie feststand, gilt jetzt um so mehr. Ingolstadt braucht die besten Köpfe, in einer Wettbewerbssituation auf mindestens nationaler Ebene. Viele Firmen in der Region sind stets auch auf der Suche nach Spezialisten und kreativen Köpfen. Sie sollen die Firmen bei den Zukunftstechnologien voranbringen und müssen überzeugt werden, sich in Ingolstadt niederzulassen. Warum Ingolstadt? Allein in der Automobilbranche steht Ingolstadt in direkter Konkurrenz z. B. mit Stuttgart und der attraktiven Metropole München.
Womit kann eine Stadt wie Ingolstadt punkten? Wie können Standortvorteile sichtbar gemacht und welche Entwicklungen sollen gefördert werden? Wie kann ein Klima, das die Ansiedlung und den Verbleib international gesuchter kreativer Kräfte fördert und die Akzeptanz Ingolstadts steigert geschaffen werden? Wie kann die Wahrnehmung dieser Stadt als lebenswerter Ort, auch für Familien verbessert werden?
Ingolstadt muss besser sichtbar werden! Visuelle Kommunikation wird immer noch unterschätzt. Digitale Kanäle haben eine hohe Reichweite. Die Kultur- und Kreativwirtschaft kann Impulse geben. Kunst, Musik und Theater müssen gestärkt werden. Wie systemrelevant sie für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung sind, beweist ihr Fehlen momentan.
18.05.2020 - Kommentar "Technische Bildung"
THINK.IN-TANK - eine Vision für Ingolstadt
von Alexander Häusler: Er ist in Ingolstadt aufgewachsen. Sein Studium der Architektur und Kunst absolvierte er in München und Boston. Zuletzt lebte und arbeitete er als Architekt in den USA, bis er 2009 wieder in seine Heimat zurückkehrte. Seither gibt es das Architekturbüro OFICINAA, dessen Name sich aus dem lateinischen Begriff für Werkstatt ableitet und für eine Bürokultur der interdisziplinären Zusammenarbeit steht. (Stand: Zeitpunkt der Veröffentlichung)
Ingolstadt baut auf eine lange Geschichte mit einer schönen Altstadt, einem schönen Fluß, beeindruckenden historischen Militärbauten und zusätzlich hatte man in den letzten Jahrzehnten das Glück wirtschaftlich stark zu sein und die Einwohnerzahlen wuchsen stetig an. Gleichzeitig verödet die Innenstadt und die Lebensqualität der Stadt wird von vielen Bürgern als unterentwickelt betrachtet, wie der Slogan “Das Beste an Ingolstadt ist die Autobahnauffahrt nach München” zeigt.
Das wirtschaftliche Wohlergehen war schon “immer” geprägt durch übermächtige Institutionen bzw. Konzerne, einst dem Militär, heute der Automobilindustrie, der die Bevölkerung im besten Falle gut diente und dabei darauf achtete, selbst möglichst gut davonzukommen. Da war die Entwicklung eines bürgerlichen positiven Stadt-Stolzes, der heute mit dem Strukturwandel Not tut, schwierig.
Doch womit beginnt diese dringend benötigte Identität und Vision für diese Stadt?
Die klassischen Antworten sind identitätsbildende städtebauliche Projekte, wie die Olympiade 1972 mit der U-Bahn für München, oder das Guggenheim-Museum in Bilbao, um zwei bekannte Beispiele herauszugreifen. StadtPark Donau, Harderstraße, Kammerspiele, Straßenbahnen… einige Projekte sind längst als Ziele auserkoren, doch die Bürgerschaft mitzunehmen fiel bisher eher schwer, vielleicht weil sie gerade nicht in eine Vorstellung eingebettet waren, nicht Teil einer größeren Vision der Zukunft der Stadt sind.
Diese größere urbane Vision für die Stadt muss die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und die Institutionen mit auf den Weg nehmen, aus Ihnen entstehen und von Ihnen getragen werden. An erster Stelle sind hier die Bürgerschaft, die Hochschulen und die mittelständischen und großen Unternehmen gefragt, sich zu vernetzen und ihren Beitrag zu leisten. Am Ende sollten auch alle von den verbesserten weichen und harten Standortfaktoren profitieren.
Und der erste Schritt wäre da eine Art Future Think Tank, wie es Claudia Borgmann in Ihrem Aufruf andeutet. Eine Zusammenkunft derjenigen, die schon aktiv für die Stadt denken, ihre Ideen weiterspinnen können und für die verschiedenen Vorhaben vernetzen und dabei Synergien aufbauen, Nachhaltigkeit erzeugen und gezielt Katalysator-Projekte ausmachen. Die Verwaltung, der Mittelstand, Planer, auch der Konzern und vor allem auch einzelne progressive Bürger sind gefragt, zusammen Ideen für die Stadt zu entdecken und entwickeln, und diese auch in die Stadtgesellschaft hineinzutragen und so die Bürger von Anfang an zu beteiligen, ja sogar mitzureißen.
THINK.IN -Ich wäre dabei!
Ob die “technische Bildung” vermarktungsbedürftig ist, sei dahingestellt. In jedem Fall ist Mobilitätstechnik und ihre Bildung eines der Pfunde der Region Ingolstadt.
Doch welche Rolle kann "technische Bildung” - und natürlich auch Forschung - für Urbanität haben?
Die letzten Jahrzehnte waren für die Stadt Ingolstadt von einer wirtschaftlichen Prosperität durch die florierende Automobilindustrie geprägt. Dabei spielte Urbanität nur als unmittelbarer Wirtschaftshelfer eine Rolle: Der Macht einer leistungsstarken “saubereren” Diesel-Technologie im Premiumsegment lokale Vorteile zu verschaffen, war das Ziel. Also der maximale Absatz der Fahrzeuge bei den Mitarbeitern und die dadurch notwendigen Parkhäuser für die Pendler. Dafür wurden die Straßenstrukturen ganzer Stadtteile neu strukturiert, während anderenorts zur Rush-Hour der Verkehr der Stadt mit Staus mittlerweile täglich zum Erliegen kommt.
Lange bevor der Konzern mit dem Slogan “Audi mobility innovations” für sich warb, wurde dem Automobil-Konzern offensichtlich gewahr, dass die Zukunft nicht mehr alleine im Auto-Fahren besteht, sondern, dass mit einer zunehmenden Verstädterung, das Auto im Zusammenhang von Urbanität und Mobilität gedacht werden muss. 2010 wurde also erstmalig der “Audi Urban Future Award”, ein städteplanerischer Ideenwettbewerb, ins Leben gerufen, bei dem sich Architekten und Stadtplanungsbüros mit den Fragen zur Mobilität in verschiedenen Großstädten auseinandersetzten - Boston, New York, Istanbul, Sao Paolo, Mexico City usw.
2010 wurde als erster der Berliner Architekt Jürgen Mayer H. gekürt, mit einer Strategie, die die Stadt und ihr Leben für die Insassen eines autonom fahrenden Autos mehr Freude bringen sollte, ein “Mobile Social Media Screen” als Windschutzscheibe sozusagen. Der zweite Award ging zwei Jahre später an ein Projekt bei dem es weniger um das Auto-Interieur ging, sondern vielmehr um die Komplexität der Mobilität für Ballungsräume. Howler und Yoon hatten für Boston einen komplexen Inter-Model-Mix für die Zukunft entwickelt, der die vorhandenen öffentlichen und individuellen Verkehrsmittel vernetzt. Neben einem Mini-Einrad-Fahrzeug standen hier vor allem die “Mobility-Hubs” im Vordergrund, an denen man real auf das jeweils andere Verkehrsmittel umsteigen kann.
2014 wurde der Award ein letztes Mal für ausgewählte Büros ausgelobt und Beträge hierzu konzentrierten sich größtenteils wieder auf die Mobility Hubs und kleine Individual-Fahrzeuge für die Innenstädte.
Doch man muss nicht in die Mega-Metropolen gehen, um die Herausforderungen der mobilen Zukunft zu sehen. Durch das schnelle Wachstum sind die Probleme in Ingolstadt nicht viel anders gestrickt, mit seinen wenigen Donau-Querungen und den begrenzten Stadtflächen sind Lösungen zur Mobilität gefragt, wie das Verkehrsaufkommen in einem Mix bewältigt werden kann.
Nachdem das autonome Fahren in den Innenstädten aufgrund der Komplexität des Verkehrs in weitere Ferne zu rücken scheint, bleibt also die Frage, wie der Verkehrsmix der Zukunft für den Verkehr einer Stadt wie Ingolstadt aussehen kann. Hier liegen die technischen, städtebaulichen und auch wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft, und damit auch der zukünftigen Märkte der Automobilindustrie.
Stellen wir uns vor, dass uns unser geräumiges luxuriöses Auto auf der Autobahn autonom dort hinfährt, wo wir wollen, und dass wir währenddessen mit Freunden spielen, lesen oder arbeiten. Stellen wir uns vor, dass wir unsere Einkäufe und täglichen Kurzstecken in einem kleinen Gefährt, womöglich mit Elektro-Antrieb erledigen, oder eine Stadtbahn nutzen. Stellen wir uns vor, dass in der Altstadt viel weniger Platz zugeparkt wäre, sie aber viel leichter erreichbar wäre, ja mehr von den Mini-Autos dastünden. Stellen wir uns vor, wir kämen schnell durch die Stadt Ingolstadt, mit S-Bahn, Straßenbahn zu unserem Arbeitsplatz, zum Krankenhaus, zum Über-Regionalbus an der Autobahn. Was wären die nächsten Schritte für die Urbanität der Stadt und was wären die nächsten technischen Herausforderungen? Was wären die “Mobility-Hubs” und wo? Was wäre das Kleingefährt und würde es hier gebaut?
Hierfür müssen wir “nur” Bildung und Forschung zu Technik und Wirtschaft vor Ort vernetzen mit den Ethikern, Zukunftsforschern, Stadtplanern und Architekten – denn: Planen heißt auch immer, an der Vision für die Zukunft zu arbeiten.
Das “digitale” Testfeld liegt uns schon längst vor unseren Füßen, wir müssen es nur sehen: unser Ingolstadt in der Zukunft, alt und neu und: was ganz Besonderes."
09.05.2020 - Kommentar "Technische Bildung"
von Dr. Matthias Schickel: Stadtrat (CSU) und Vorsitzender des Historischen Vereins Ingolstadt, initiierte zusammen mit dem Fotograf Erich Reisinger, Dr. Tobias Schönauer und Stadtrat Christian Lange 2017 die Ausstellung "Stadtidentität" im Bayerischen Armeemuseum. Die Ausstellung kontrastierte historische Aufnahmen der Altstadt mit Bildern aus dem Jahr 2017 und zeigte damit die Veränderungen und Entwicklungslinien in der Innenstadt.(Stand: Zeitpunkt der Veröffentlichung)
"Ich halte den Text für absolut gelungen! Sie bennen genau die Problemfelder, denen sich die Innenstadt stellen muss: die Verödung und die Tertiarisierung der Stadt mit Versicherungsagenturen, Banken und Friseur- und Tatoo-Läden... Da müssen wir tatsächlich aus unseren mentalen Königreichen ausbrechen und dafür (neudeutsch) "out-of-the-box-denken"!
Die Vernetzung tut not! Und nur, wenn wir Ökologie, Ökonomie, Geschichte (!) zusammen denken und in der Stadtplanung berücksichtigen, können wir aus der Krise eine Chance machen.
Ich denke da nur an die Schutter, den Viktualienmarkt und Theatervorplatz. Was könnte man da nicht alles an an Raum, Aufenthalts- und Lebensqualität gewinnen, wenn wir diese Aspekte an diesem stadtgeschichtlich so zentralen Platz berücksichtigen würden. Wir brauchen tatsächlich diese Urbanität, die an solchen Plätzen entstehen kann, den Austausch der Meinungen, der Stile, der Schichten und der Geschichten! Wenn wir vom HVI da irgendwie beitragen können - und sei es durch einen Vortrag über die Archäologie des Platzes - dann sind wir gerne dabei!"
04.05.2020 - Kommentar "Technische Bildung"
von Lutz Morich: AUDI AG, Projektleiter Forschungsprojekt SAVe:, Prozess-, Methoden, Tool-Entwicklung virtuelles Umfeld (Stand: Zeitpunkt der Veröffentlichung)
"Als Beteiligter (siehe "SAve" und "fahrerlos") möchte ich es mir nicht nehmen lassen, zu dem Thema "technische Bildung als Marke" meine Gedanken zu formulieren:
Ja, es ist eine Riesenchance, mit technischer Bildung eine Marke zu besetzen.
Ja, Ingolstadt eignet sich dazu sehr, sowohl vom Bedarf als auch vom Potenzial.
Eine Stadt, die über Jahre ihren Wohlstand einem Industriezweig verdankt, läuft Gefahr, in Abhängigkeit zu geraten. Sie hat aber die Chance, die vielen potenziell gut ausgebildeten Menschen, die diese Industrie direkt und indirekt mitgebracht hat, auch für andere Zwecke zu nutzen. Kultur ist hier ein Thema, Konsum sicherlich auch. Diese Zwecke sind kurzfristige. Nachhaltiger Reichtum, nachhaltige Vielfalt eines Standortes, einer Stadt (materiell und immateriell) wird hierdurch nicht erzeugt. Nachhaltigkeit bedeutet, die Menschen wollen hier bleiben. Mittelfristig und langfristig, sogar über Generationen (vielleicht mit einem Zwischenstep ins Ausland oder in andere reizvolle Gegenden). Dieser Bleibewille oder Rückkehrwille setzt aber voraus, dass diese Menschen sich hier wohlfühlen, eine Perspektive sehen für sich und ihre Nachkommen.
Jetzt kommt wieder die Krux der Abhängigkeit von einer Industrie: Wenn die schwächelt, leidet die Perspektive und Menschen wandern ab. Als erstes gehen normalerweise die Attraktivsten i.S. v. Qualifikation, breitem Interesse und Engagement, weil sie die Antennen für eine fehlende Perspektive haben.
Was also tun, um auch mittel-und langfristig Perspektive zu bieten, wenn Veränderung droht und die Monokultur eines Industriezweiges kriselt und unterzugehen droht?
Die Antwort liegt in der Veränderung selber. Der Veränderung müssen wir den Schrecken nehmen, indem wir uns anpassen und darauf vorbereitet sind. Genauso, wie wir einem Regenguss auf dem Spaziergang durch (mitgenommene) geeignete wasserfeste Kleidung begegnen, begegnen wir der Veränderung auch mit Vorbereitung: Durch Bildung! Wenn die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und Industrie sich ändern, benötigen wir anderes Wissen, andere Fähigkeiten der Mitarbeiter und Bürger. Ein Unternehmen ist so flexibel, wie es seine Organisation und seine Mitarbeiter sind. Neue Produkte sind nur erfolgreich, wenn sie von den Bürgern akzeptiert werden, wenn die Bürger ihnen vertrauen können. Neben einer entsprechenden Geisteshaltung braucht man dazu eine (Aus)Bildung für das Neue. Für die neue Technik, für die neue Technologie. Ich denke, es ist uns allen bewusst, dass der zukünftige Erfolg unserer Gesellschaft materiell und damit auch immateriell vom erfolgreichen und sinnvollen Einsatz von Technologie abhängt. Daher müssen wir die Menschen in der Technologie bilden. Ihre Bereitschaft und Neugier für Neues wecken. Ich würde den Begriff technische Bildung erweitern zu technologische Bildung. Beteiligen, mitmachen, beurteilen können sind wesentlich für Akzeptanz und sinnvollen Einsatz. Der Schrecken der Veränderung verliert seine Kraft, weil die Menschen das Neue schon denken und beurteilen können. Dies umfasst alle Menschen gemäß ihrer Möglichkeiten, nicht nur aber auch die jungen Lernenden. Man erzeugt dadurch eine Resilienz der Menschen einer Region und damit die Fähigkeit, sich auf Veränderung durch Wissens- und Fähigkeits-Aneignung einzustellen.
Da Ingolstadt noch reich an tollen Menschen ist, vor einem solchen Umbruch steht (die aktuelle Krise ist kein temporäres Phänomen), bietet die technologische Bildung hier eine Riesenchance!
Diese Chance nutzen zu können bedarf der Erkenntnis der Veränderungsnotwendigkeit sowie Transparenz und Ehrlichkeit.
Erkenntnis der Veränderungsnotwendigkeit, um die Bereitschaft zum Lernen (das ist anstrengend, aber auch spannend) zu erzeugen.
Transparenz, um die Situation zu erfassen und die Chancen und Risiken zu sehen, die vor uns stehen.
Ehrlichkeit, um um vom hohen Ross des aktuellen Wohlstandes herabzusteigen, unseren Startpunkt und unsere Befürchtungen zu erfassen, damit wir zielgerichtet technologisch lernen können.
Ja, es ist eine Riesenchance, mit technischer Bildung eine Marke für Ingolstadt zu besetzen.
Ja, Ingolstadt eignet sich dazu sehr, sowohl vom Bedarf als auch vom Potenzial."
30.04.2020
Urbanität – wanted!
Warum Ingolstadt eine Vision braucht
von Claudia Borgmann
Das bisher unausgeschöpfte Potenzial unserer Stadt liegt in der Vernetzung. Gerade nach Corona könnte sie die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Ideen sind da, sie müssen nur richtungsweisend verknüpft werden. Dazu bedarf es einer Vision. Sie kann uns wie ein Stern aus jeder erdenklichen Perspektive den Weg weisen und ganz nebenbei Identität stiften.
Die Idee einer Vision ist nicht neu. Vor etwa 20 Jahren erarbeitete die Stadt bereits „Visionen“ für Ingolstadt und ging damit neue Wege in der Planung von Stadtentwicklung. Die damals erarbeiteten Maßnahmen, festgehalten in der „Agenda 21“, sollten bis ins Jahr 2015 wirken. Es ist also höchste Zeit, hier weiterzudenken. Unter neuen Vorzeichen. Denn die Zeiten haben sich geändert und wir uns auch. Diese gute Seite von Corona könnte Weitblick, Offenheit und den Mut mit sich bringen, anders zu denken. Wenn wir das tun, profitieren Wirtschaft, Gesellschaft und unsere Stadt davon. Ergebnisse könnten ganz konkret auch in einem neuen Flächennutzungsplan ihren Niederschlag finden. Denn: Ausgangspunkt ist unsere Innenstadt, der die Verödung droht. Sie soll blühen und mit neuer Strahlkraft auch in unser Umland wirken.
Warum eine Vision?
Weil nur sie uns die Freiheit gibt zu träumen. Beim Träumen überwinden wir Grenzen. Grenzen hindern uns daran, in die Weite zu schauen. Wer in die Weite schaut, kann Ziele sehen und formulieren. Wer Ziele hat, ist motiviert, sie zu erfüllen. Und aus Zielen erwachsen konkrete Aufgaben. Für die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik.
Der Glaube an Visionen wurde jüngst genährt durch Bilder von einem smogfreien China. „Wenn das Virus so etwas kann – können wir das womöglich auch?“ , fragt der Trendforscher und Zukunftsoptimist“ Matthias Horx. Aber ist diese Entführung aus den festen Strukturen nicht einen Versuch wert? Schon jetzt haben sich unsere Muster im Kleinen geändert. Wir rücken unsere Prioritäten zurecht, verlagern unsere Wertschätzung, handeln sozialer und vernetzen uns wie nie. Warum sollten wir das nicht auch im Großen schaffen? Es ist einen Versuch wert.
Der alte Traum von Urbanität
Wenn wir dieses veränderte Verhalten verinnerlichen, kann es zu einem neuen Muster werden. Dieses frisch erworbene Muster können wir nutzen, um Ingolstadt neu zu gestalten – und Arbeit zu schaffen! Wir starten mit einem alten Traum: eine belebte Innenstadt mit Menschen die bummeln, Kaffee trinken, nach dem Konzert noch gemeinsam den Abend in einem netten Lokal oder einer kleinen Kneipe ausklingen lassen. Das Stichwort ist alt: es heißt Urbanität. Es ist kein Zufall, dass der Verein „Neue Sicht e.V.“ erst kürzlich eine Umfrage zum Thema machte . Die Frage lautete kurz gesagt: Was wünschen Sie sich für unsere Innenstadt? Es ging in erster Linie um das kulturelle Angebot Ingolstadts im weitesten Sinne. Aber das Leben ist bekanntlich kein Wunschkonzert. Das ist den Machern der Studie bekannt. Ihnen geht es vielmehr darum, dringende Themen der Stadt aufzuspüren, um sie erst zu packen und dann zu bearbeiten. Natürlich mit besonderem Blick auf die Kulturschaffenden und Kreativen in und um Ingolstadt. Das ist nachvollziehbar. Denn mithilfe ihres Vereins wollen sie sich untereinander vernetzen, ihr Potenzial in der Öffentlichkeit sichtbar machen. Noch immer wird dieser ökonomische Zweig, die sogenannte KUK (Kultur- und Kreativwirtschaft) nicht als wirtschaftlicher Faktor wahrgenommen. Dabei sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Nicht nur der Kulturbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie belegte dies längst. Um diese Fülle zu schützen, müssen wir die vorhandenen Talente nutzen – denn so unterstützen wir sie gleichzeitig.
Warum Vernetzung unser Potenzial ist
Soweit nichts Neues. Die Überraschung in der genannten Umfrage ist, dass neben Kunst und Kultur auch Themen wie Verkehr und Wohnen zur Diskussion stehen. Warum? Weil eben alles zusammenhängt. Wo wir wohnen, hängt maßgeblich von unserem Job ab (möglich, dass dieses Kriterium nach Corona in den Hintergrund rückt, da plötzlich alles aus jeder Entfernung möglich ist), davon wie wir von zu Hause zum Büro kommen, von vorhandenen verkehrstechnischen Möglichkeiten, von kulturellen Einrichtungen, gastronomischen Angeboten usw. Diese Kette lässt sich beliebig fortsetzen. Nein, daraus lässt sich gar ein Netz spinnen! Denn all diese Faktoren sind miteinander und ineinander verwoben. Und doch werden sie weder in der Politik, noch in den Branchen selbst ausreichend miteinander gedacht und entwickelt. Wie sonst lässt sich erklären, dass eines der größten in der Öffentlichkeit diskutierten Probleme der künftigen Kammerspiele der Verlust von 200 Parkplätzen sein soll – und das in Zeiten, in denen parallel in der gleichen Stadt die Entwicklung autonomer Mobilität zum Aushängeschild deklariert wird? Es gibt nur eine Erklärung: In unserer Gesellschaft ist „networking“ zwar in aller Munde, aber es scheint in der Wirklichkeit als Mehrwert für die Entwicklung unserer Gesellschaft noch nicht überall angekommen zu sein, geschweige denn gelebt zu werden.
Jeder will König sein
Der Grund ist einfach, fangen wir bei uns selbst an: Jeder möchte König in seinem Reich sein. Und das will genau abgesteckt sein. So läuft es in unserer Leistungsgesellschaft, in der jeder seinen Erfolg an der eigenen Leistung misst. Schon in der Schule zählt die eigene Note und bei Prüfungen werden ab der Grundschule Barrikaden zwischen den Schülern errichtet. Diese Grenzen ziehen wir auch beruflich. Wir sind voll und ganz auf Arbeitsteilung und Spezialisierung gepolt: je arbeitsteiliger und spezialisierter, desto besser. Wer war für ein bestimmtes Leiden nicht schon beim Spezialisten? Und vermutlich ist es genau diese Spezialisierung jedes Bereichs (egal auf welchem wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Territorium), die uns dahin gebracht hat, wo wir sind (und die uns im Fall Corona möglicher Weise wieder auf die Füße fallen wird). Sie hat ihre Daseinsberechtigung. Sie zu verfluchen, ist also grundverkehrt.
Gemeinsam sind wir stark! - Vom Ego zum We go! (Winy Maas)
Was fehlt dann aber? Die Verbindung und Verknüpfung zwischen den Königreichen. Vielleicht schlägt genau jetzt ihre Stunde. Wenn ja, werden wir sie lernen. „Es gehört zu den ureigensten Fähigkeiten des Menschen, seine Lebensumwelt bewusst wahrzunehmen und Vorstellungen darüber entwickeln zu können, wie diese durch sein gezieltes Handeln verändert werden könnte.“ , so der Stadtplaner Thomas Kuder. Anders ausgedrückt und zurück zur Belebung der Stadt heißt das, wir haben unser Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft! Oder: gemeinsam sind wir stark.
Vielfalt ist Lebensqualität
Wir müssen es nur wollen. Was wir wollen, beschreibt unser Traum von Urbanität. Betrachten wir zuerst das Stadtgefüge an sich. Nirgendwo laufen so viele Funktionen zusammen wie hier: Arbeit, Wohnen, Freizeit. Unser „Königreich Leben“ prallt also auf die „Königreiche“ der verschiedenen Arbeitgeber, und die Hoheiten von Verkehrsplanung, Wohnungsbau, Grünanlagen, Umweltschutz etc. Sie alle dienen den Bürgern, indem sie ihnen ein Leben in möglichst hoher Qualität (Wohlstand, Gesundheit, Sicherheit, geistige und körperliche Entfaltungsmöglichkeit etc.) ermöglichen. Dabei hat schon jeder selbst erfahren: Je besser diese Hoheitsgebiete oder Lebenseinheiten verknüpft und an unsere Bedürfnisse angepasst sind, umso reibungsloser funktioniert unser Leben. Die Lebensqualität steigt. Je vielfältiger die Stadt ist, umso mehr Menschen wird sie gerecht, desto mehr Menschen können hier ihr Lebensglück finden. Doch Vielfalt ist heute eines der größten Probleme unserer Innenstädte. Ein Patentrezept, wie sie zu erzeugen ist, gibt es nicht. Viele Städte haben verschiedene Maßnahmen ergriffen – ob mit Sonderkonditionen für Startups oder der Idee des Pop-Up Stores. Nichts will langfristig funktionieren, so scheint es. Oder zumindest reicht die Strahlkraft nicht, um eine ganze Stadt wiederzubeleben. Es sind marginale Eingriffe, die das große Ganze zwar tangieren, aber nicht verändern.
Die „menschliche Stadt“ als Leitbild
Erschwerend kommt hinzu, dass nicht jede Stadt gleich ist. Jede bringt andere Voraussetzungen mit und bedarf deshalb anderer Maßnahmen. Nur das Leitbild ist das gleiche. Oft zitiert von Stadtplanern wie Politikern wird die „menschliche Stadt der Zukunft“. Klingt gut. Aber was soll Stadt auch sonst sein? Und bleibt zu klären: wie sieht die aus?
Visionäre gesucht
Die Hülle muss mit Inhalt gefüllt werden. Das kann eine Vision leisten. Es stellen sich viele Fragen: Welche Voraussetzungen bringen wir mit, welche Talente können wir als Stadt und Bürger in den Ring werfen, die stark genug sind und Potenzial haben, um unsere Stadt zu definieren? Wie können wir diese Fähigkeiten zukunftsfähig einsetzen? Das können nur wir bestimmen. Individuell für Ingolstadt. Wir müssen die Prioritäten setzen! Wir müssen wissen, wer wir sind oder sein wollen. (Dabei steht niemals in Frage, dass Städte zukünftig vor allem grün sein müssen, denn etwa 70% der Bevölkerung werden bald hier leben .) Wollen wir immer noch das Auto oder lieber viel Rad, viel Technologie oder viel Kultur? Von allem etwas? Oder etwas ganz anderes? Die nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Thema Stadtidentität ist hier ein wichtiger Baustein für anstehende Überlegungen. Daraus kann eine maßgeschneiderte Vision für Ingolstadt entstehen. Wenn sie gewollt ist.
Die Machbarkeit – wer rudert mit?
Erst im zweiten – dafür aber wesentlichen! - Schritt geht es um Umsetzung und Machbarkeit. Was machbar ist, hängt von unserer vorhandenen Kraft ab. Es ist wie beim Rudern: Je mehr im Boot sitzen, desto weiter und schneller geht es voran, sofern alle im gleichen Rhythmus und in dieselbe Richtung rudern. Kraft ist zunächst keine Frage des Geldes, sondern des Willens. (Auch wenn Geld natürlich alles vereinfacht, daran besteht kein Zweifel.) Wer gehört also in unser Ruderboot? Alle, die willens sind, gemeinsam das Ziel „belebte Innenstadt durch Vielfalt und Vernetzung“ mithilfe einer maßgeschneiderten Vision zu erreichen. Hier muss Konsens herrschen. Und auch wenn Konsens herrscht, wird der Steuermann genug zu tun haben, alle auf Kurs und im gleichen Takt zu halten! Diese Aufgabe ist keine leicht, aber eine umso wichtigere.
Die Zeit ist reif
Laut Umfrage von „Neue Sicht e.V.“ besteht ein großer Bedarf in Ingolstadt, Zukunftsfragen zu diskutieren. Dann los! Vielleicht ist die Zeit vorbei, in der wir in die Stadt gehen, um einzukaufen. Vielleicht ist die Zeit reif für neue Ideen. Die Landschaftsarchitektin Silvia Benedito spricht gerne vom Spaziergang durch die Stadt. Was wollen wir auf dem Spaziergang erleben? Manches ist längst formuliert. Wenn wir uns austauschen - Kommunikation ist nichts anderes als Vernetzung! - fällt uns aber sicher noch so manch anderes ein. Bahnbrechendes? Grenzüberwindendes? Lebenswertes? Vielleicht lässt sich das Parkplatzproblem für die Kammerspiele dann ja gar zu aller Wohlwollen lösen?! Denn irgendwie hängt eben alles zusammen. Und deshalb müssen wir alle Bedürfnisse hören, Gedanken verknüpfen und Ideen vernetzen. Viele haben damit schon angefangen. Ob Kultur oder Wirtschaft – plötzlich ist alles virtuell erfahrbar und per Knopfdruck käuflich. Das ist ein Anfang vom Umdenken. In einer Stadt, in der Digitalisierung als ein Motor der Wirtschaft verstanden wird, könnte genau hierin auch das passende Werkzeug für die Gestaltung der Zukunft sein: Eine menschliche Stadt durch digitale Vernetzung. Brigk, VI Forum und Co sind jetzt gefragt! Den Weg weist uns unsere Vision.
Fortsetzung: Urbanität - wanted:
30.04.2020
Technische Bildung als Marke
Ein Impuls für eine Vision
von Claudia Borgmann
Mithilfe einer Vision können wir durch Netzwerken ein Netz weben. Wie sich eine Idee aus den Erfahrungen mit dem Forschungsprojekt SAVe: entwickelt hat.
Ein Porträt von Ingolstadt
Der niederländische Urbanist Winy Maas berät weltweit Städte und behauptet, deutsche Städte seien nicht sexy. Wir Deutschen würden über Gesetze und Vorgaben nachdenken. Wir seien besessen vom Autofahren. Aber: Ist das noch so? Wir sind lernfähig - wie gesagt. Und können das jetzt unter Beweis stellen.
Maas selbst spricht vom Porträt, das er von einer Stadt zeichnet, um eine Stadt zu erforschen. Ihre Schwächen und Stärken. Wie sähe unser Porträt aus? Die Schwächen sind hinreichend beschrieben (s. Teil 1). Sie liegen in meinen Augen in der mangelnden Vernetzung und dem Denken in Königreichen. Und unsere Stärken? Sie liegen ebenso in den Königreichen! Wir haben unsere Geschichte von der Universitätsstadt, Zentrum des Humanismus, Ort der Aufklärung, der medizinischen Forschung und Lehre über die Rolle der Stadt als Militärstadt, deren ummantelnde Festungswerke Ingolstadt stark prägen, zum Motor der bayerischen Industrie, die ihren Höhepunkt als „Audistadt“ feiern kann; wir haben Marie-Luise Fleißer als Synonym für das Theaterleben und - welch ein Reichtum! - wir haben die Donau. Soweit unser „Daumenabdruck“, wie es Gerd Treffer nennt. Neues kommt hinzu, darunter die bereits genannte „KUK“ und vieles mehr. Alles allein greift zu kurz. Alles zusammen kann genial wirken. Warum nicht verknüpfen: zur Stadt der technischen Bildung!? Was das sein soll? Das zeigt ein kleines Beispiel, das noch in den Kinderschuhen steckt:
SAVe:/ fahrerlos_Ein Beispiel für eine Vision mit digitaler Vernetzung
Beispielhaft und zukunftsweisend scheint ein scheinbar kleines (in Zahlen aber großes) Projekt in Ingolstadt zu sein: das Forschungsprojekt SAVe: (Funktions- und Verkehrs-Sicherheit im Automatisierten und Vernetzten Fahren). Hier vereinen Partner unterschiedlichster Herkunft (Stadt Ingolstadt, THI, KU Eichstätt, Audi AG etc.) ihr jeweiliges Knowhow - und schlicht auch Daten - um ein Ziel zu erreichen: ein virtuelles Modell von Ingolstadt zu erbauen, an dem das autonome Fahren getestet werden kann. Einblick in diese Arbeit und das autonome Fahren an sich bekommt, wer Gelegenheit hat – das ist in diesen Zeiten gar nicht so leicht – sich die Dependance des Projektes in der Ludwigstrasse (oder auf der im Aufbau befindlichen Homepage) anzusehen: „Fahrerlos, Schaufenster für autonome Mobilität“ heißt das kleine Juwel mitten in der Innenstadt in einem ehemaligen Ladenlokal.
Neue Bande: KUK und die Wissenschaft
Hier geht es in erster Linie darum, das von den Projektpartnern erworbene und digital verknüpfte Wissen an die Bürger zu vermitteln und ein entsprechendes Feedback zu bekommen. Offiziell lautet der Slogan „Wissenstransfer hin und zurück“. Der Gedanke ist einfach: nur wenn neue Technologie gesellschaftliche Akzeptanz erfährt, hat sie eine Chance, sich durchzusetzen. Google-Glass sei an den Ängsten der Bürger gescheitert, heißt es. Das soll dem autonomen Fahren nach Meinung der Macher nicht passieren. Im Austausch soll ein Miteinander entstehen und Zukunft gestaltet werden. Diesen Gedanken verfolgt auch das Bundesministerium für Forschung und Bildung , das sich „Wissenstransfer“ auf die Fahne geschrieben hat und mithilfe von Förderprojekten umsetzen möchte. Derlei funktioniert gerade in der Forschung nur in Kooperation mit Fachleuten, die wissen wie Wissen vermittelt wird. In dieser Aufgabe tut sich ein neues Feld für die KUK auf. Sie wird für diese Vermittlung dringend gebraucht.
Eine Vision als Ausdruck ganzheitlichen Denkens
„SAVe:“ verkörpert vernetztes interdisziplinäres wissenschaftliches Arbeiten gepaart mit dem Bewusstsein für den Bürger als lebenswichtigen Konsumenten am Ende der Kette. Hier wurde eine Idee von vorne bis hinten gedacht. Deshalb ist sie förderwürdig. Voraussetzung dieses ganzheitlichen Denkens war eine Vision: die, dass das autonome Fahren als Bestandteil der gesamten Stadtplanung gedacht werden muss. Praktisch findet sie ihren Ausdruck im virtuellen Modell von Ingolstadt. Nichts anderes als eine digitale Vernetzung von Daten. Schon das allein ist innovativ (und kann künftig gar als Grundlage für den Aufbau einer noch weiterreichenden Vision genutzt werden). Das Nebenprodukt ist eine neuartige inhaltliche Gestaltung eines Ladenlokals.
Wissenstransfer ist Wertschöpfung
An der Gestaltung des Ladenlokals „fahrerlos“ war ich als ein Teil der sogenannten „KUK“ beteiligt. Ich durfte die Kommunikationsdesignerin Frances von Unruh (Unruh-Design) unterstützen und habe u.a. wissenschaftliche Erkenntnisse und technisches Knowhow textlich bürgernah und verständlich aufbereitet. Für den Projektleiter Lutz Morich war es ein großer Kraftakt, Gelder für eine solche Tätigkeit aufzubringen. Die Vermittlungstätigkeit ist in unserer Gesellschaft kein anerkannter Bestandteil der Wertschöpfungskette. Es bedurfte also eines weitblickenden Menschen, das zu erkennen und dafür zu kämpfen. Nun muss es noch den Weg in die breite Öffentlichkeit finden. Denn das „kleine fahrerlos“ kann ein großes Vorbild sein. Das wurde mir im Laufe meiner Tätigkeit bewusst. Hier trifft sich gleichzeitig, was Ingolstadt ausmacht und was ihm fehlt: Knowhow und die Anerkennung dessen, wie wichtig seine gesellschaftliche Akzeptanz ist. Was nicht akzeptiert wird, findet keinen Widerhall in der Gesellschaft und kann niemals Teil unserer Stadtidentität werden.
Technische Bildung als Marke für Ingolstadt
Interessant ist, dass technische Bildung keine allgemein anerkannte Bildung ist. Es gibt politische Bildung, historische Bildung etc. Warum machen wir aus technischer Bildung keine Marke und beanspruchen diese Innovation für Ingolstadt? Dabei muss diese Idee nicht als kulturelle Bereicherung durch Bildung rein idealistischer Natur sein. Vielmehr sollten wir technische Bildung in Form von Wissenstransfer dazu nutzen, ihre Entwicklung zu vermarkten. Das ist nicht Sache der Hochschulen, deren Adressaten die Studierenden sind. Diese Vermittlung geht viel weiter – hinein in die Gesellschaft! Sie geht jeden Bürger an und braucht vor allem offene Ohren. Dann gewinnt sie nicht nur kulturelle, sondern auch wirtschaftlich Bedeutung - und die nötige Zugkraft. Adeln müssen wir das Ganze mit unserer humanistischen Bildung! Besinnen wir uns auf die Geschichte um Frankenstein und stellen uns die Frage: was darf Wissenschaft und was nicht. Diese Frage wird uns künftig immer mehr beschäftigen, auch beim autonomen Fahren. Sie zu diskutieren, ist unsere Pflicht.
Aus diesen Gedanken könnte sich manch neuer, bisher nicht absehbarer Wirtschaftszweig ergeben. Lassen wir unseren Gedanken freien Lauf! Lassen wir uns ein Netz weben – gerne auch digital! – und über Ingolstadt spannen. Wir haben schon so viel: genannt wurde bereits unsere Geschichte, bestens vertreten durch den historischen Verein, wir haben Aktion von der Wissenschaft in die Gesellschaft wie „Mensch in Bewegung“ und sogar einen Verein für Regionalmanagement „IRMA e. V.“ - und wir haben unsere Kulturlandschaft! Allen voran das Museum für Konkrete Kunst, aber auch das Lechner Museum. Beide Museen stellen unverkennbar Kunst von Kindern eines technischen Zeitalters aus, ihr (zukünftiger) Standort in Ingolstadt ist kein Zufall (und sogar ihre Herbergen sind Zeugnis einstigen technischen Fortschritts). Die Liste könnte mit dem medizinhistorischen Museum oder dem Armeemuseum als Zeugen von Ingolstadts Geschichte fortgeführt werden. Gemeinsam verwoben könnte ein wunderbar farbenfrohes Muster entstehen. Im übertragenen Sinne: Urbanität. Eine lebendige Stadt.
Das I-Tüpfelchen
Zum Schluss noch das I-Tüpfelchen – oder die Olive auf dem Martini: Vielleicht erfüllt sich mit einer Vision gar der Traum all derer, die auf die sogenannte „Stararchitektur“ für Ingolstadt hoffen! Vielleicht ergibt sich aus den neuen Gedanken die Notwendigkeit einer Bildungseinrichtung – ein steinernes Manifest einer gemeinsam entwickelten Identität!? Vielleicht entsteht auf diesem Weg eine Architektur, in der nicht der Architekt der Star ist, sondern mit der wir Ingolstadt zum Star machen. Weil unser Netz unser Werk ist.
Quellen:
https://www.zukunftsinstitut.de/menschen/matthias-horx/ am 02.04.20
https://www.horx.com/48-die-welt-nach-corona/ am 03.04.20
https://vielfalt-in-stadt-und-land.de/sites/default/files/images/common/2016-04-27_kuder_vortrag.pdf
https://www.bmbf.de/de/wissenschaftskommunikation-216.html am 20.03.20
http://www.neuesicht.org/NEUESICHT_Umfrage_01_20.pdf am 20.03.20
http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/y/2003/tu-berlin/kuder_thomas.pdf 19.03.20
Winy Maas in: der Wald auf dem Hochhaus, Süddeutsche Zeitung, S. 13, 6.3.2020
https://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KUK/Redaktion/DE/Publikationen/2019/monitoring-wirtschaftliche-eckdaten-kuk.html am 17.04.20
https://www.donaukurier.de/nachrichten/kultur/DKmobil-Bye-bye-armer-Poet-Warum-die-Kultur-laengst-ein-Wirtschaftsfaktor-vom-Format-der-Autoindustrie-ist;art598,4056530 am 17.04.20
https://www.donaukurier.de/nachrichten/kultur/Die-Buerger-muessen-streiten-kaempfen-leiden;art598,4348460 am 17.04.20
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